
Berufliche Fortbildung und Praktikum in der Existentialpsychologischen Bildungs- und Begegnungsstätte Todtmoos-Rütte | Schule für Initiatischen Therapie.


Bei entsprechendem Berufsbild kann ein Aufenthalt in der Existential-psychologischen Bildungs- und Begegnungsstätte, Schule für Initiatische Therapie vom Arbeitgeber oder dem Finanzamt als berufliche Fortbildung anerkannt werden.
Praktikum
Ebenso kann für ein Studium (z.B. Psychologie, Kunsttherapie, Soziale Arbeit) oder eine Ausbildung im sozialen Bereich ein Praktikum an der Existential-psychologischen Bildungs- und Begegnungsstätte absolviert werden.
Ein Praktikum in Rütte bedeutet, sich auf einen herausfordernden Selbsterfahrungsprozess einzulassen,
und zugleich die Arbeitsweise der Initiatischen Therapie in Theorie und Praxis kennen zu lernen.
In den wöchentlichen Einzelstunden mit den Hauptmedien der Initiatischen Therapie, Leibarbeit und Geführtes Zeichnen, im schöpferischen Dialog mit sich selbst und dem Begleiter, durch die Arbeit mit den eigenen Träumen,
in den Übungsgruppen mit Geführtem Zeichnen, Musik, Märchenarbeit und Arbeit am Tonfeld, werden neue Wege
des Ausdrucks erkundet, öffnen sich neue Perspektiven auf sich selbst und die Welt. Im Zendo üben Sie sich in der Meditation im Stile des Za-Zen, in den Übungen des Alltags begegnen Sie sich in vertrauten Handlungen neu.
Individuelle Übungen (Geführtes Zeichnen, Tagebuch schreiben, Träume malen) vertiefen das Erlebte.
Das Erarbeiten von Lektüre (Karlfried Graf Dürckheim, C.G. Jung, Erich Neumann, Jean Gebser) ermöglicht Verständnis für das, was, in Erfahrung gebracht wird.
Der Alltag als Übung umfasst Tätigkeiten in Gästehaus (dafür freie Unterkunft im Herzlhaus/Selbstversorgung) und Teestube. In Gästehaus, im Haushalt und im Garten übernehmen die Praktikanten regelmäßige Tätigkeiten, in der Teestube bereiten die Praktikanten das Mittag- oder Abendessen für die Gäste selbstständig zu und begleiten Gäste im Exerzitium. Im Gesamten erfahren sich unsere Praktikanten in einem Lebensfeld, in dem sich Einzelarbeit – die Begegnung mit sich selbst und den Begleitern –, und Gruppen- und Alltagsarbeit im kollektiven Feld mit den anderen Rütte-Gästen und Mitarbeitern bereichern und ergänzen. Wir empfehlen jeweils mindestens 2 Stunden Leibarbeit und 3 Stunden GZ die Woche, über einen Zeitraum von 4 Wochen = 20 Einzelstunden à für Praktikanten ermäßigte €40 = 800 €. Ergänzend ist die Einführung in die Meditation, Teilnahme an der täglichen Meditation und der wöchentlichen Gruppenarbeit (2-3x in der Woche/10 €/Abend) obligatorisch = 120 €. So ist es uns möglich 4 Wochen Einzel-und Gruppenarbeit in Rütte für ca. 920 € anzubieten.
Kontakt: Monika Pfäfflin, Mitarbeiterin/Mentorin, Tel. 07674/8149,
Praktikumsberichte
Praktikum März 2025
"Im Rahmen meines Dualen Studiums der Sozialen Arbeit wollte ich ein Praktikum machen, dass sowohl einen Selbsterfahrungsprozess beinhaltet, in dem ich mir selbst in meiner Tiefe, in meinem Gewordensein begegnen kann, und das mir gleichzeitig Gelegenheit bietet, mich beruflich in meiner Arbeit mit Jugendlichen weiterzubilden.
Schon im November besuchte ich Rütte und hatte eine Einzelstunde mit Monika Pfäfflin. Der Besuch und unser Gespräch bestärkten mich darin, die Voraussetzung für ein Praktikum, nämlich „die Bereitschaft zum eigenen Entwicklungsprozess“, auch zu wollen.
Sozialraum Rütte
Rütte liegt zwischen Bernau und Todtmoos und gehört zur Gemeinde Todtmoos. Rütte selbst liegt in einem kleinen Tal. Mit einer Ansammlung von ca. zehn Häusern ist es überschaubar. Unter den Dorfbewohnern ist ein persönliches Verhältnis. Hühner laufen auf der Straße. Da der Ort eine Sackgasse ist, ist es still und ruhig. Die Rütte Gäste beziehen auch Ferienwohnungen bei den Dorfbewohnern. Durch die natürlichen Gegebenheiten und die Abgeschiedenheit ist ein Aufeinander angewiesen sein normal.
Die Einrichtung Rütte hat durch ihre Geschichte von Anfang an auch eine Verbindung nach Japan. So werden z.B. Zen und Zen Künste wie Za-zen-kai, Sesshin, Ikebana und Schwert von japanischen Lehrern angeboten. Allen Gästen steht jederzeit der Meditationsraum zur Verfügung, sowie die beiden Werkstatträume für den künstlerischen Prozess mit Farben, Papierbögen und anderen Materialien. Es gibt noch einen großen Raum für Körperübungen, eine Bücherstube zum Lesen und Arbeiten am PC, die Teestube und eine Bibliothek. Die Räume sind auf drei Häuser verteilt: dem „Bergkranz“ als Haupthaus mit den Therapieräumen, dem „Herzlhaus“ mit den Gästezimmern und dem „Zendo“ mit dem Meditationsraum. Um die Häuser sind schöne Gärten angelegt, die ebenfalls erhalten und gepflegt werden. Da zum Teil zeitgleich mit mir eine andere Praktikantin da war, konnte ich eine Zeit lang im Garten mein Exerzitium absolvieren und lernte die Dorfbewohner kennen.
Mich selbst und den Anderen wahrnehmen
Rütte bietet mit seinen Medien einen Baukasten an Möglichkeiten, um an sich zu arbeiten, so dass jede*r seinen/ihren Tag selbst gestalten und einteilen kann. Für mich als Praktikantin bedeutet das, dass ich im Gewahrsein der Zuständigkeit für die Teestube auch diese „Freiheit“ lebe. Zum Beispiel weiß ich erst am Morgen wie viele Gäste zum Abendessen kommen werden. Das Zubereiten der Nahrung für die Gäste ist Teil des Exerzitiums der Prakti-kant*innen. Dabei geht es nicht darum eine besonders gute Suppe zu kochen, sondern viel mehr, zu üben und mich zu spüren. Es entsteht Bewusstsein und Wertschätzung für mein eigenes Tun.
Ein Gast hat sein Exerzitium auch in der Teestube absolviert und jeden Tag Brötchen gebacken. Es war etwas ganz Neues für ihn. Es kam mir gar nicht in den Sinn mich in seinen Lernprozess einzumischen. Es geht etwas Heiliges (pure Präsenz) davon aus. Es fühlt sich an wie das intensive und heilige Spiel eines Kindes. Trotzdem nehme ich auch eine Durchlässigkeit wahr. Der Erwachsene ist ansprechbar. Er muss sich nicht verstecken (Scham). Er zeigt sich in seinem Lernprozess und ist damit Teil etwas Größeren.
Interessanterweise ist diese respektvolle und natürliche Haltung lernbejahend. Eine Einladung zum Lernen wird zum Geschenk und lädt das Gegenüber ein, den eigenen Weg zu gehen. In diesem Fall hat der Mann gesagt, dass er am Freitag Zeit hat und er gerne lernen möchte, wie ich Teig knete. Am Freitag hat er dann seinen Teig begonnen. Ich habe einfach zugeschaut und dann habe ich gesagt: „Ab jetzt würde ich es so machen. Schau du mal, wie das für dich geht.“ Wir haben ein paarmal den Teig hin und her gewechselt und nicht viel darüber gesprochen. Nach einer halben Stunde konnte er es einfach, durch das Zuschauen und Selbstmachen.
Seine Problemlage war, dass er sich in seinem Leben immer durchmogelt und Herausforderungen aus dem Weg geht. In diesem Fall hatte er sich die Herausforderung selbst organisiert. Zunächst scheint diese Handlung klein, vielleicht auch unbedeutend aber für das Individuum kann sie von größter Bedeutung sein. Ein Teil der Persönlichkeit wurde aus dem Schatten ins Licht geholt und ist sichtbar geworden. Diesen Vorgang hat der Gast selbst vollzogen. Vielleicht hat er meine Haltung gespürt, dass er sich zulassen kann. Vielleicht war es einfach an der Zeit. Sicher war es eine Selbstbestätigung auf seinem neuen Weg.
Wie häufig haben wir in der heutigen modernen Welt Situationen in denen verstecken gespielt wird und Niemand zugibt, dass er/sie keine Ahnung hat? Kann ich dazu stehen etwas nicht zu wissen? Traue ich mich zu fragen, wenn ich Hilfe brauche, ohne mein Gesicht dabei verlieren zu müssen? Meine bisherige Erfahrung ist, dass dadurch immer Potenzial gebunden wird und der Mensch sich in diesem Bereich seines Lebens nicht lebt und weiterentwickelt. In Familien, Partnerschaften und engerer Teamarbeit wird dieses Thema schnell zum Problem.
Vertiefung am Beispiel der Meditation im Stile des Za-Zen
Ich war skeptisch, was die Zen-Meditation betraf. Meine konkrete Aufgabe für mich sah ich auch darin, Vorurteile bzgl. der Zen-Meditation und ihrer Kultur abzubauen und mich wirklich darauf einzulassen.
Ich wurde überrascht: Die Einführung war sachlich und Erlebnis orientiert. Es ging um die rein praktische Sitzhaltung, den Ablauf – warum z.B. laute klack Geräusche bewusst in der Stille geschlagen werden. Die Verneigungen ermöglichen einen bewussten Übergang vom Sitzen ins Gehen oder beim Verlassen des Raumes. Ziel ist für eine Stunde einen konkreten Rahmen zu schaffen, der ermöglicht, dass der innere Raum Platz bekommt und erfahrbar wird. Zen, wie ich es verstanden habe, meint: sich Sammeln und Niederlassen. Eine tägliche Übung, die ich morgens und abends erlebt habe.
Ich kann etwas Wichtiges für meine Arbeit mitnehmen: Das zur Ruhe kommen im Alltag ist eine wichtige Fähigkeit im pädagogischen Alltag. Zum einen für mich selbst, zum anderen aber auch für Adressat*innen. Wie hilfreich ist es, in „Schwellenzeiten“ eine Anleitung und einen Rahmen zugeben, in dem sie sich spüren und entwickeln können. Dabei ist der Rahmen in der Stille von besonderer Bedeutung. Der Mensch erfährt sich selbst in seiner Ruhe und Unruhe im gemeinsamen Stille sein im Zendo.
Initiatische Therapie und Methoden in der Sozialen Arbeit
In der heutigen Pädagogik sprechen wir von der Erschließung von Kraftquellen sogenannten Ressourcen. Empowerment und Ressourcen Arbeit, was meint das genau in der Umsetzung im Alltag? Ich habe erst hier in Rütte ein Gespür dafür bekommen, was es für mich wirklich bedeutet. Das hat nichts mit schnellen Lösungen zu tun oder mit sich anstrengen,sondern vielmehr etwas mit Tiefe und sich zu lassen.
Mir ist bewusst geworden, wie Gespräche durch selbst gemalte Bilder und andere Medien belebt werden. Wie das Innere in den Ausdruck gebracht werden kann, das, wofür bisher noch keine Worte gefunden werden konnten. Im Gespräch gibt es, durch das Geführte Zeichnen, das Bild, das Tonfeld, dann einen konkreten Gesprächsgegenstand, der etwas zeigt/sichtbar gemacht hat. Durch die Medien wird das Empowerment stark angeregt. Der Gast kann alleine selbstständig im Werkraum weiterarbeiten, wenn er die Technik/das Wandlungsprinzip verstanden hat.
Im Geführten Zeichnen geht es z.B. um das Thema „mein Raum“. Aufgabe ist „mein Raum“ im Zeichnen zu erfahren und wahrzunehmen. Z.B. durch die Urform, d.h. einen Kreis zu zeichnen. Die Abfolge der einzelnen Schritte ist klar:
1. Bei mir sein – sein lassen,
2. Handeln und erleben und Fühlen - was erlebe ich,
3. sprachlich ausdrücken - was habe ich erlebt und niederschreiben für mich
und als letzter Schritt
4. es aussprechen, anderen Menschen mitteilen - mich zeigen und ins Gespräch gehen, entweder in der Gruppe oder im Zweier-Gespräch.
Ein Impuls wird von innen nach außen getragen, wie eine Geburt, und wird vom Umfeld bezeugt. Der Gast kennt das Tor und kann nun selbst an dem Thema „mein Raum“ lernen. Da der Zugang über das ganzheitliche Empfinden ist und
nicht primär über das Denken, gelingt etwas Neues. Es umfasst uns als Mensch im Ganzen.
Die verschiedenen Medien in Rütte, wirken auch auf die Menschen unterschiedlich. Manche Gäste kommen besser über das Tonfeld oder die Leibarbeit in den Prozess. Was stets gleich bleibt, ist die selbstgewählte Thematik, die durch die Medien zum Selbstausdruck kommt. Durch den künstlerischen Ausdruck wird eine Dokumentation des Lernprozesses aufgezeigt. Das Wandlungs-Vorgehen ist dadurch nachvollziehbar, verständlich und einfach. Es gibt dem Gast ein Gefühl von Selbstbestimmung, Orientierung und gesunder Kontrolle. Hier ist der Zirkelschluss zur Pädagogik. Der Gast kann nun Experte seiner selbst sein, weil er die Regeln kennt und sich ausdrücken kann.
Das Niederschreiben der Erfahrungen während dem künstlerischen Arbeiten lässt die Wandlungsprozesse nochmal klarer durch die Sprache auch im Verstand verankern. Sodass der Verstand begreifen lernt, wie Lösungen möglich
sind.
Aus meinem Erleben heraus macht folgende Beschreibung über die Absicht der Initatischen Therapie heraus Sinn: „Die IT berücksichtigt jene Dimension im Menschen, in der das Leben auf existentielle Weise in Frage gestellt wird und sich im Wesenskern begründet: jenen Punkt, an dem der Mensch durch Schicksalsschläge und innere Erschütterung keinen Ausweg und keinen Sinn mehr vernehmen kann.“
Fazit und Vergleich mit vorherigen Praxiserfahrungen
Ich habe in den letzten Wochen vieles begriffen und verstanden, was mir während meiner Weiterbildungen zur systemischen Beraterin verschlossen geblieben ist. Insbesondere ist mir der Wandlungsprozess bei vollem Bewusstsein als prägende Erfahrung geblieben.
Eindrücklich dabei ist für mich das Erleben, dass ich Dinge aus unterschiedlichsten Perspektiven betrachten kann. Dabei meine ich nicht, dass ich eine Situation aus der Perspektive eines anderen Menschen wahrnehmen kann, wie etwas bei der Aufstellungsarbeit. Vielmehr geht es mir dabei um die verschiedenen Gewichtungen der Seins-Zustände. Diese Vielfalt zeigt sich mir wie Blätter einer Blüte. Es gibt sehr viele Betrachtungsmöglichkeiten und ich bin fähig die verschiedenen Positionen als eine Gesamtheit zu begreifen. Anders als im systemischen Ansatz erlebe ich die Initatische Therapie noch mehr als Ganzheit. Sie geht über die Sprache und die Gefühle noch stärker in den Ausdruck. Mit Ausdruck meine ich vor allem die nonverbale Sprache, die in Rütte durch seine Ausdrucksmedien gefördert wird.
Durch meine erlebnispädagogische Ausbildung und Arbeit war es stets mein Streben Erlebnispädagogik als Grundlage des Lebens erfahrbar zu machen. In Rütte hat dieses Bestreben unerwartet Bestätigung erfahren. Insbesondere auch spirituelle Themen durch die Erlebnisebene begreifbar zu machen. In der heutigen Zeit in der die alten Religionen uns als Kraftquelle immer fremder werden, kann durch Erlebnisse eine neue Rückbindung angeregt werden. Darüber hinaus erhält der Mensch, durch den Erlebnisweg, das Handwerkszeug etwas Eigenes zu kreieren was ihm persönlich dienlich ist.
Ich hatte vielleicht etwas Dogmatisches in Rütte erwartet. Erfahren habe ich Freiheit – Freiheit im und durch das Individuum. So eine Art Ur-kultur, der Kern aller Kulturen, die ich bisher kennen gelernt habe. Dabei ist diese Ur-kultur eingefärbt durch den Stil im Zen. Doch gerade die Einführung durch das Erleben bringt die Erkenntnis, wie Kultur überhaupt „funktioniert“. Dadurch kann ich meine christliche Prägung neu verstehen.
In dem Buch „Zen für Küche und Leben“ schreibt Kosho Uchiyama Roshi über die Kulturen die einen Gott anbeten, der ihnen Frieden bringen soll oder bei dem Frieden zu finden ist. Der Buddhismus hat eine andere Haltung, er sagt, es geht darum, sich nur hinzusetzen, so dass das Selbst einzig Selbst wird. In sich zur Ruhe zu kommen, ist auch eine christliche Haltung, die Wege dorthin zu gelangen sind verschieden und ebenbürtig.
Besonders im Geführten Zeichnen ist mir bewusst Geworden, wie nah die Lösungen liegen. Die Übungen wollen durchgearbeitet und gemacht sein. Aber es gibt einen Weg. Häufig stand ich meinen Jugendlichen, die seelisch aus dem Gleichgewicht gefallen sind, ratlos gegenüber. Alles „Reden“ hilft nur bedingt. Ich möchte nun selbst mit dem Geführten Zeichnen arbeiten, und hoffe über das Geführte Zeichnen den Jugendlichen einen neuen Zugang zu ihrer inneren Führung zu eröffnen. Bereits in den letzten Monaten habe ich mit den Jugendlichen vermehrt gemalt und beobachtet, wie es sie beruhigt und sich ein Gleichgewicht einstellt. Ich freu mich auf das gemeinsame Forschen bei den nächsten Begegnungen.
Die Initiatische Therapie und der Circle of Courage/ positive Peer Culture, mit dem ich als Sozialpädagogin mit Jugendlichen arbeite, ergänzen sich in meinem Empfinden hervorragend. Die IT ist mehr auf das Individuum bezogen und knüpft an den persönlichen Reflexions- und Arbeitsmöglichkeiten an. Die Positive Peer Culture ist gruppen-bezogen und fordert das Individuum im sich Zeigen und Einbringen in der Gruppe.
In beiden Einrichtungen, in Rütte, wie in meiner Arbeitsstätte, erlebe ich eine große Freiheit bezügliche der eigenen individuellen Tagesgestaltung. Es gibt wenige feststehende Regeln und Zeiten, die eingehalten werden sollten, damit die Struktur funktioniert. Gleichzeitig wird vom Individuum grundsätzlich ein „sich-einbringen-wollen“ vorausgesetzt. Der Circle of Courage kann helfen, den aktuellen Standort des Jugendlichen zu bestimmen. Damit meine ich, welche Aufgaben er schon gut gemeistert hat und welche noch ausstehen. Besonders im Bereich der Unabhängigkeit kann die initiatische Therapie einen wichtigen Beitrag leisten, z.B. das Vertrauen in die innere Führung zu stärken.
Aber auch im Bereich des Altruismus kann die initiatische Therapie ein Türöffner sein. Sie ermöglicht aus dem „Helfersyndrom“ ins bewusste und geführte Handeln zukommen. Im Bereich der Zugehörigkeit werden die „Abhängigkeitsmuster“ sichtbar und greifbarer. Der Bereich der Meisterschaft wird durch die Medien der IT angesprochen, und kann Begabungen freilegen. Je nach Entwicklungsstand der Jugendlichen bin ich neugierig, inwieweit sich das Jugendalter und die IT begünstigen. Die Herausforderung besteht sicher darin, inwieweit die Jugendlichen schon fähig sind, Gefühle differenziert wahrzunehmen, und auch auszudrücken.
Meine persönliche Vermutung ist, dass sie schon viel weiter sind, als wir Erwachsenen oft denken oder wahrhaben wollen. Eine Äußerung unserer Jugendlichen im Jugend-Kolleg ist immer wieder, dass sie sich nicht fühlen wollen und es ihnen egal ist, wenn es ihnen schlecht geht. Ich glaube, dass es mehr an geeigneten Rahmenbedingungen fehlt, dass diese Äußerungen einen Platz und eine Würdigung im Leben der Jugendlichen erfahren. Sie brauchen Handwerkszeug, um mit ihren Gefühlen umgehen zu lernen. Und ich denke, ich habe in Rütte Handwerkszeug gefunden.
Ich kann mir nach dieser Zeit in Rütte auch vorstellen, mit erwachsenen Menschen im Bereich der Wahrnehmungsschulung und Begleitung zu arbeiten."
Luise
Praktikum Mai 2025
„Oder du gehst nach Rütte.…Das waren die Worte meiner Begleitung, als wir darüber nachdachten, wo ich ein psychologisches Praktikum machen könnte. Ich wurde gerade von der Uni für mein Psychologiestudium abgelehnt, was meine Pläne für das Jahr 2025 ganz schön aus der Bahn warf.
Ich hatte mich zuvor bereits nach einigen Möglichkeiten umgesehen, aber kein Konzept konnte mich wirklich überzeugen – bis ich auf Rütte stieß. Das Interesse war geweckt. Ich informierte mich über die Geschichte und das therapeutische Konzept, führte einige (Mail-)Gespräche und entschied mich schließlich, mein Praktikum dort im Mai 2025 für vier Wochen zu absolvieren.
Mit dem Medium des Geführten Zeichnens war ich bereits seit Jahren vertraut. Ich war gespannt, wie es in diesem intensiven therapeutischen Umfeld eingesetzt würde und neugierig, was mich sonst erwartete. Rütte bietet nicht nur einen tiefgehenden Selbsterfahrungsprozess, sondern auch einen faszinierenden Einblick in die Arbeit der Therapeuten – und in die Prozesse der Gäste. Zu beobachten, wie sich Leben teilweise schon innerhalb einer Woche grundlegend zum Positiven verändern, wie Menschen zu sich selbst finden – das hat mich tief beeindruckt.
Mein Tagesablauf war sehr lebendig:
Schwerpunkt war eine tägliche Einzelstunde – im Wechsel zwischen Geführtem Zeichnen bei Monika und Leibtherapie bei Andreas.
Die Einzelstunden umfassten das prozessorientierte Gespräch, die Arbeit mit meinen Träumen, d.h. das Erzählen der jeweiligen Träume, den Dialog mit den Trauminhalten und den daraus hervorgehenden Assoziationen und biographischen Bezügen und das gemeinsame dialogische Betrachten der von mir im Werkraum gemalten Traumbilder.
Im Geführten Zeichnen - war nach der Traumarbeit auch Raum für meinen Zeichenprozess oder wir arbeiteten mit den Zeichenserien, die ich selbstständig gemacht hatte. Gemeinsam reflektierten wir meine Erfahrungen und Wahrnehmungen. Auch die Arbeit mit der Collage, die ich als Aufgabe bekommen hatte, bekam Raum für Reflexion und Dialog, und auch meine Fragen und Gedanken, die sich aus der Theorielektüre ergeben hatten.
Die Leibtherapie war für mich völlig neu. Besonders spannend fand ich, wie absichtslose Berührungen etwas in mir auslösen konnten. Keine Stunde war wie die andere. Es war jedes Mal etwas Neues für mich. Das hat mich sehr beschäftigt und mir neue Ebenen von Selbstwahrnehmung eröffnet. Eine wirklich sehr intensive und spannende Erfahrung für mich.
Traumarbeit – ich arbeitet auch selbstständig mit meinen Träumen: ich schrieb meine Träume auf, malte sie und besprach sie anschließend mit den Therapeuten.
Im Werkraum arbeitete ich selbstständig mit Geführtem Zeichnen und Collage.
Mithilfe im Haus oder Garten im Herzlhaus – als Gegenleistung für meine Unterkunft im „Hüttchen“. Diese Tätigkeit ließ sich wunderbar für den „Alltag als Übung“ nutzen, was von Bernadette jede Woche für neue Gäste eingeführt wird.
Tägliches Studium von Literatur von Graf Dürckheim, C.G. Jung und Erich Neumann, vertiefte mein Verständnis für die tiefenpsychologischen Hintergründe der Arbeit in Rütte.
Einen Menschen begleiten Eine ganz besondere Aufgabe während meines Aufenthalts war die Begleitung eines therapeutischen Prozesses eines 13jährigen Mädchens, die an einer Angststörung litt. Die Möglichkeit, selbst unterstützend tätig zu sein, war für mich unglaublich bereichernd und hat meinen Berufswunsch, Psychotherapeutin zu werden, nur noch weiter gefestigt.
Exerzitium in der Teestube Wenn genug Gäste da waren, gab es abends die „Teestube“ im Bergkranz – eine gemütliche Zusammenkunft nach der Abendmeditation, zu der ich als Praktikantin eine Suppe vorbereitete. Über die Erfahrungen in meinen Exerzitien konnte ich mit Monika reflektieren.
Zeit für mich selbst Besonders schön war für mich, neben meinen Aufgaben genug Zeit zu haben, in meiner Eigenbewegung zu sein. Meistens ging ich nach meinen Stunden eine kleine Runde in wunderschönster Umgebung spazieren, schrieb meine Erfahrungen auf, oder setzte mich auf eine Bank, um die Stunden sacken zu lassen. Das hat mich in meinem Prozess sehr unterstützt.
Geführtes Zeichnen & andere kreative Methoden Das Geführte Zeichnen war für mich eine zentrale Erfahrung. Obwohl ich das Medium bereits kannte, erlebte ich es hier auf einem ganz neuen Level. Die Intensität in Rütte ist natürlich deutlich höher. Ich konnte durch das Zeichnen Dinge ausdrücken, für die mir die Worte fehlten. Auch die Arbeit mit der Collage hatte eine ähnliche Wirkung – sehr tiefgehend, manchmal überraschend, und vor allem auch mit viel Freude verbunden. Die anschließende gemeinsame Analyse im Gespräch mit Monika war jedes Mal sehr aufschlussreich.
Arbeit mit Urformen Ich nahm auch an einer Gruppensitzung im Geführten Zeichnen teil. Interessant war hier zu sehen, wie eine gemeinsame Form, eine sogenannte Urform, die wir jeweils 4x zeichneten, in jedem etwas anderes auslöste – und wie unterschiedlich die Auseinandersetzung damit verlief.
Weitere Gruppenangebote , die mich begeistert haben, waren:
Das Märchenspiel – Hier wurden Märchen gespielt und in der Gruppe reflektiert, welche Rolle und Stelle im Märchen einen besonders anzog und was dies in einem auslöste. Die urteilsfreie Atmosphäre machte es möglich, sich spielerisch und doch tiefgehend mit eigenen inneren Anteilen auseinanderzusetzen. Dieses Gruppenangebot hat wirklich sehr viel Spaß gemacht.
Die Arbeit am Tonfeld – eine für mich besonders emotionale Erfahrung. Hier arbeitet man nacheinander mit geschlossenen Augen am selben Tonfeld weiter, ohne es zwischendurch zu glätten. Das Gefühl, das eigene Werk verändert zu sehen – oder selbst in ein bereits Gestaltetes einzugreifen – hat viele emotionale Prozesse angestoßen. Es durfte alles da sein: Lachen, Weinen, Schreien – ein sehr intensives Gruppenerlebnis.
Meditation im Stile des Za-Zen Zweimal täglich gab es die Möglichkeit zur Meditation im Zendo – morgens um 7 Uhr und abends um 18:15 Uhr. Ich entschied mich für die Abendmeditation. Obwohl ich Meditation bereits von Zuhause kannte, war es eine ganz besondere Erfahrung, sie über mehrere Wochen hinweg täglich in dieser Tiefe zu praktizieren. Besonders bereichert hat mich in dieser Zeit das Buch „Meditieren – wozu und wie?“ von Graf Dürckheim, das meinen Blick auf die Praxis sehr verändert hat.
Hara-Übungen Einmal wöchentlich fanden im Zendo außerdem sogenannte Hara-Übungen statt, die helfen, die innere Mitte zu stärken. Auch hier konnte ich sowohl aus der Perspektive der Selbsterfahrung als auch aus der Beobachterposition viel mitnehmen.
Abschied und Rückblick Am letzten Tag legte ich alle meine Zeichnungen, inklusive der Traumzeichnungen, in chronologischer Reihenfolge aus und betrachtete sie mit Monika. Mein gesamter Prozess wurde dadurch noch einmal greifbar. Es war beeindruckend, wie klar ich die einzelnen Stationen meiner Entwicklung sehen konnte. Die Schlüsselmomente waren sichtbar und fühlbar.
Rütte ist eine eigene Welt – diesen Kontrast zur „Außenwelt“ habe ich anfangs stark gespürt. Doch schon nach wenigen Tagen wollte ich gar nicht mehr weg. Der Ort hat einen ganz eigenen Spirit, ermöglicht intensive Prozesse, macht Freude, bietet Raum für Entwicklung – und für echte Begegnung.
Das Praktikum in Rütte hat meinen Berufswunsch, Psychotherapeutin zu werden, nicht nur gestärkt – es hat ihn mit Bedeutung gefüllt. Es ist sehr einzigartig, gleichzeitig so viel als Beobachter, aber eben auch durch Selbsterfahrung zu lernen und zu erleben. Ich gehe aus dieser Zeit mit:
• Kraft aus der eigenen Selbsterfahrung
• neuen Blickwinkeln auf das Leben
• einer vertieften Beziehung zu mir selbst
• und einem klaren Gefühl dafür, warum sich das Psychologiestudium lohnt.
Gerade weil das Studium herausfordernd ist, nehme ich diese Erfahrungen als wertvolle Ressource mit – als Erinnerung daran, wie sinnstiftend und transformierend dieser Beruf sein kann. Und vor allem das Wissen, ich bin genug und ich darf einfach sein, ohne andauernd Leistung erbringen zu müssen.
Ich bin mit einem vollen Herzen und großer Dankbarkeit nach Hause gefahren und kann sagen: Ein Aufenthalt in Rütte kann lebensverändernd sein."
Franziska